
Radicchio – ein Italiener erobert Österreich
Im Frühjahr 2024 veranstaltete die Versuchsstation für Spezialkulturen, Wies auf Initiative von Andrea Pölz (Landwirtschaftskammer NÖ) mit dem italienischen Radicchiozüchter Andrea Ghedina (Firma Smarites.bio) ein Fachseminar zum Thema Radicchio. Anlass genug, um im Anschluss insgesamt 21 Sorten genauer unter die Lupe zu nehmen.

Zum ersten Mal erwähnt wurde diese italienische Spezialität im 16. Jahrhundert. Es wird vermutet, dass die damaligen Sorten einen wesentlich geringeren Anteil an roten Blättern aufwiesen, als die heute kultivierten Formen. Fakt ist, dass diese über die Wintermonate am Feld blieben und erst im Frühjahr geerntet wurden. Damals handelte es sich hauptsächlich um offene Sorten, ohne Kopfbildung, die erst nach und nach auf geschlossene Köpfe selektiert wurden. Heute bekannte Sorten entstanden in den 1950er Jahren durch züchterische Bearbeitung. Alle Radicchio-Sorten stammen von dergemeinen Wegwarte, Familie der Korbblütler ab. Durch Auswahlzüchtung auf unterschiedliche Merkmale entstanden rund um Städte in Norditalien sehr unterschiedliche Formen. Am ehesten an die ursprüngliche Kulturform erinnert der längliche Radicchio di Treviso Tardivo, mit seinen fleischigen weißen Blattstrünken und nur wenig rotem Blattanteil. Die Sorte Radicchio di Treviso Precoce hat bereits weitaus mehr roten Blattanteil undist kopfbildend. Durch Selektion auf gedrungene Pflanzen entstand daraus der eiförmige Radicchio di Verona. Durch eine weitere Einkreuzung, nämlich mit Endivie (Cichorium endivia), entstand die Sorte Variegato di Castelfranco. Nach vielen Jahrzehnten züchterischer Bearbeitung auf dichtere, geschlossene Köpfe entstand Rosso di Chioggia. In den letzten Jahren sind durch weitere Selektionszüchtungen neue Sorten mit Blättern in gelber, pinker und rosa Farbe entstanden.
Anbau
Um eine gute Pflanzenentwicklung zu gewährleisten, wird eine Jungpflanzenanzucht empfohlen. Die ideale Keimtemperatur liegt hierbei zwischen 25 °C und 28 °C. Anzuchttemperaturen unter 16 °C können bei Sämlingen und Jungpflanzen einen Kältereiz auslösen, der zum vorzeitigen Schossen der Pflanzen führt. Der optimale Zeitpunkt für die Pflanzung ist erreicht, wenn die Pflanzen drei bis vier echte Blätter ausgebildet haben. Dies ist nach ca. 23 bis 25 Tagen der Fall. Der Pflanzabstand entspricht jenem von Kopfsalat, der Nährstoffbedarf liegt im mittleren Bereich und beträgt 140 kg Stickstoff, 30 kg Phosphor und 140 kg Kalium pro Hektar. Zu hohe Stickstoffgaben bewirken eine übermäßige Bitterstoffbildung. Die gängigsten Sorten benötigen zwischen 90 und 120 Tage von der Pflanzung bis zur Ernte. Es gibt jedoch auch Sorten, diekürzer und deutlich längere Entwicklungszeiten aufweisen (Tabelle 1). Zu beachten ist jedenfalls, dass Sorten, die länger brauchen, nicht zu früh gesetzt werden, da diese ansonsten viel Umblatt und eher kleine Köpfe bilden und im schlimmsten Fall sogar gleich direkt in die Blüte gehen. Die Frostfestigkeit ist bei Sorten mit längerer Entwicklungsdauer höher als bei jenen mit kürzerer. Temperaturen um minus 6 °C sind für erstgenannte kein Problem und auch wenn der Frost die Umblätter geschädigt hat, lässt sich der Innenteil meist dennoch erfolgreich vermarkten.
Ernte
Die Erntereife ist erreicht, wenn die Köpfe kompakt sind und ihre typische Farbe aufweisen. Radicchio ist gut lagerfähig. Auch hier gilt: Sorten mit kurzer Entwicklungsdauer sind weniger lagerfähig als jene mit längerer Entwicklungszeit. Zur Lagerung sollten immer nur gesunde und möglichst trockene Köpfe verwendet werden, einige Umblätter können mittelbar vor dem Verkauf entfernt werden. Für eine kurze Lagerung von 2–3 Wochen sind die optimalen edingungen ca. 4 °C, sowie eine relative Luftfeuchtigkeit von Kulturvorstellung 95–98 Prozent. Sorten mit einer Entwicklungszeit von 110 Tagen oder länger können bis zu 3 Monate gelagert werden. Hierfür sollte bei der Ernte ein Stück der Wurzel am Kopf dranbleiben und der Kopf sollte noch nicht ganz reif sein. Das heißt, dass die Mittelrippe noch grünlich anstatt rein weiß sein darf. Dafür liegt die optimale Temperatur bei –0,5 °C und einer Luftfeuchtigkeit von ca. 70 Prozent. Das nnere des Kopfes sollte jedoch nicht gefrieren und die Luft im Lagerraum zirkulieren.

Chioggia
Radicchio Rosso die Chioggia zeichnet sich durch viel rote Blattmasse und einer schmalen Mittelrippe aus. Die Blätter ilden einen sehr dichten Kopf. Die Sorte Chioggia wird auch in Italien roh konsumiert, wobei sie häufig als Farbtupfer in Salatmischungen zu finden ist. Neben dem roten Rosso di Chioggia gibt es gesprenkelte und helle Formen.Treviso Precoce
Im Gegensatz zu den runden Chioggia Typen bildet Radicchio Rosso di Treviso Precoce längliche Köpfe mit einer ickfleischigen, weißen Mittelrippe. Dieser Radicchio wird in Italien ausschließlich gekocht oder gebraten gegessen. Eine Spezialität aus dem Norden Italiens ist der getriebene Rosso die Treviso Tardivo.
Radicchio – Treiben
Einige Sorten des Typs Rosso di Treviso Tardivo („Botteniga“, „Cagnani“ und „San Benedetto“) wurden zum Treiben ausgegraben, die äußeren Umblätter entfernt, die Wurzeln von der Erde befreit, eingekürzt und in gelochte Erntekisten gestellt. Diese wurden auf Ebbe-Flut-Tischen im Gewächshaus gestellt, die mit Wasser angestaut waren, das mehrmals pro Woche gewechselt wurde. Durch diesen Vorgang bilden sich nach ca. 2 Wochen im Innersten des Kopfes zarte milde Blätter, die als Gemüse verzehrt werden. Sie können roh in Salaten, gedünstet als Beilage oder im Rohr gratiniert werden. Der Geschmack ist mild mit einer leicht süßlichen Note.
Rosso di Verona
Radicchio Rosso di Verona ist oval oder eiförmig und deutlich kleiner als die Sorten Treviso oder Chioggia. Er wird in Italien häufig für die Zubereitung zu Risotto verwendet. Seine breite, weiße Mittelrippe verleiht ihm eine knackige ote, weshalb eine Verwendung als rohes Gemüse gut möglich ist. Bei uns in Österreich ist diese Form noch weitgehend unbekannt.
Rose von Görz
Neben Rosso di Treviso Tardivo wurde eine weitere, bei uns noch völlig unbekannte Sorte kultiviert: die Rose von Görz. Es handelt sich hierbei um die Radicchiosorte „Voglia“, die keine festen Köpfe bildet. Nach den ersten Frösten wurden auch diese Pflanzen mit den Wurzeln aus der Erde genommen und wie die zuvor beschriebenen Sorten für 14 Tage getrieben. Die innersten Teile, die ohne Licht wachsen, sind weiß, die kleinen Blätter, die bereits vorhanden waren, bekommen ein helles Rot. Konsumiert wird das zarte Herz der Pflanze (vgl. Abbildung), das vom Umblatt tfernt wird. Die Tabelle zeigt sehr gut, welche Sorten bereits in wenigen Wochen erntereif waren und welche etwas längere Zeit für ihre Entwicklung benötigten. Anders als erwartet, waren die meisten Sorten schneller fertig als vom Züchter angenommen.
1 Vesuvio Cicoria Rossa di Chioggia 2 Scala Cicoria Rossa di Verona 3 Voglia Cicoria Goriziana 4-6 Cicoria Rossa di Treviso Tardivo 5 Sangria Cicoria Rossa di Treviso Precoce
Quellen:
Pölz Andrea, FIBL, Bio-net: Anbauund
Sortenratgeber Radicchio, 2025
Smarties.bio: https://www.smarties.bio/en-eu
DIin Doris Lengauer,
Mag.a DIin Andrea Pölz